Dienstag, 29. November 2016

Paris ma chérie



Bonjour!
Fromage et Beletage, Baguette et Soufflette, Croissant et Chanson, Rouge et Mousse, Chic et...
Oui, das ist Frongkraische!
Vieles ist so wie man es wirklich vermutet. Frauen schauen in Fenstern nach ihrem Aussehen. Schals sind lediglich Modeaccessoire. Selbst bei 9 Grad Quecksilber und Wind. 
Es gibt Frauen und Männer mit ansehnlichen Figuren. Abends joggen Hunderte an den Wegen an der Seine entlang. Von nichts kommt nichts. Viele Frauen schauen aus wie Sophie Marceau, aus dem Film La Boum gehüpft. Sie sind auffällig geschminkt, tragen klackernde Absatzschuhe, sind drei-Wetter-betafft und mit breitkrempigen Sommerhut ausstaffiert. Kerle sehen aus wie der kanadische Politiker Justin Troudeau oder der Sänger Alain Chamfort. Schöne Lederschuhe kombiniert mit elegant geschnittenem Mantel und Lederhandschuhe in passender Farbe. 
Im Bevölkerungsbild sind 20% schokoladig. Um Political Correctness an den Tag zu legen: Dunkler Hautfarbe ist jeder fünfte Pariser, in der Metro jeder Dritte. Sofern man männlich ist, sieht man aus wie Omar Sy oder trägt Vollbart. 
In den Boulangerien und Brasserien mampft es sich gut. Roter Traubennektar trinkt sich hier auch gut. In den vollen Glasmüllcontainern aus Plaste stapeln sich die leeren Weinflaschen vom Vorabend. Sie sind bis zum letzten Tropfen ausgeleert. Crêpes und Crème Brûlée sind der Brüller. Wenn man will, kann man überall (recht teuer) einkehren ohne geschmacklich enttäuscht zu werden. In jedem Viertel wird der Entdecker belohnt. Außer vielleicht in der Banlieue, wo er entlohnt wird..
Zum Verkehr möchte ich auch etwas sagen. Autos lieben den Kontakt. Beim Einparken. Jedes zweite Mal, wenn jemand die Lücke für sich entdeckt, kann man darauf warten. Die Stadt der Autobumser könnte man mehrdeutig feststellen. In Deutschland würde man einen ganz unzweideutig an die Gurgel springen. In Frankreich ein Grund zum Feiern, Ausdruck der Liberté. Motorisierte Zweiradfahrer fahren hier weniger Harakiri als in Italien. Es werden Helme aufgesetzt und an Fußgängerüberwegen wird jedes zweite Mal artig gehalten. Die Polizei kontrolliert hier auch mal. Alles ist irgendwie europäischer. Die Sprache französischer. Wie hier Hallo und Tschüss gesagt wird, lässt einen singen mögen. Und dieses melodische "Monsieur" wenn man irgendwo was kaufen möchte, ach toll! Auch Fluchen hat hier ästhetischen Eigenwert. "Mince alors!" ist Schnee von gestern. Heute pfeffert man dem lieben Polizeibeamten nach Überfahren der kirschgrünen Ampel "Sacrebleu!" oder "Saperlipopette!" an den Beamtenhut. (Das kann man multifunktional auch den schwarzhäutigen Franzosen an den Kopf werfen, die einen an Sehenswürdigkeiten mit Gewalt irgendwelche Armbänder verticken möchten.) Die Worte gehen nach dem Zungenbruch runter wie Öl. Danach wird großzügig der Staatsanwalt geschmiert, damit man aus der Sache mit der Beamtenbeleidigung gut wieder raus kommt.
Wer Frankreich hautnah mag, besucht einen der vielen Märkte in der Stadt. Dort trifft man alte Verkäufer, die französischen Slang sprechen. Da wird man kurzerhand für einen Armenier gehalten und für einen lang verschollenen Sohn des Händlers. Dann radebrecht man auf seinem verschollenen Französisch man sei aus Deutschland und bekommt, da man dem Französischen kämpferisch und brüderlich die Stirn bietet, noch 3 Bananen und 6 Clementinen obendrauf. Das alles zu seinem eigentlichen Einkauf von 2 Bananen und 3 Clementinen für insgesamt nur 1,30€. 5 Bananen und 9 Clementinen später schaut man sich als wandelte Obstplantage die nächste historische Köstlichkeit an: die gesamte riesige Innenstadt! 
Der Eiffelturm ist groß, das bekommt man erst so richtig zu spüren, wenn man vor und unter ihm steht. Jede volle Stunde setzen sie den unter Strom. So sieht es jedenfalls aus. Da gibts die krasse Lasershow und Lichtfunken jagen sich das Stahlkorsett hoch. So stellt man sich Glühwürmchendisko vor, die eskaliert. Steht man direkt unterhalb, ist es galaktisch. 
Im Jardin des Tuileris kann man Boule-Spiele mitverfolgen und am Teich chillen; im Jardin du Luxembourg Blumen anschauen oder einmal günstig ins Klein-Amerika reisen und der Freiheitsstatue nah sein. Das größere Original -der Prototyp des Geschenks an die Amerikaner- steht auch etwas außerhalb bei der Pont de Grenelle und thront über der Seine. Oder sich gleich nebenan bei steten 14 Grad unter der Erde etwas aufwärmen und das triste Grau Paris' für eine gespenstische Stunde hinter einem lassen. Im weltweit größten Grematorium, Catacombs des Paris. Im schlecht beleuchteten Beinhaus liegen die Knochen von insgesamt 6 Millionen Menschen… Ein makaberer Ort, faszinierend und bedrückend gleichermaßen. Wer sich davon erst einmal erholen muss, sollte Orte der Freude und des Umschwangs aufsuchen: Das gepflegte Studenten- und Publeben hat man am besten im Distrikt rund ums Panthéon Richtung Notre-Dame. Sehr gemütlich und preislich vertretbar. Viel Multi-Kulti und Zuhause-Stimmung. Oder man macht eine Bootsfahrt mit anschließender Crazy Boot Rivers King Party, wo alle Franzosen wie wild kreischen, wenn es unter Brücken durch geht. Danach tanzt man Salsa bis der Morgen einen ins Bett jagt. Oder man quicksteppt ins Louvre. Da wo die Pyramide und alles auf dem Kopf steht. Viele vergessen nicht nur ihren Kopf beim Anblick von da Vincis Lisa. Von Gegenständen des Byzantinischen Reiches, über Napoléons Privatgemächer, über Louis XVIII Schlafpritsche, Trinkpokale aus Gold, Reliquien, handgewebte Prunkteppiche, Statuen aus x-Dynastien, Möbilar, Sammelleidenschaften der Mächtigen bis zu lächelnden Gemälden, alles ist hier vertreten. Die Mona Lisa ist es übrigens nicht unbedingt Wert. Zu viel Rummel, viel zu viel Smartphonekrieg. Keiner, der sich das Gemälde wirklich anschaut, ohne durch die künstliche Linse zu geilen. In der ehemaligen Residenz französischer Könige gibt es nichts, was es nicht gibt. Und das ist sehr viel. Der Eintritt lohnt sich definitiv. Aber es sei gewarnt, es ist so viel, dass man gar nicht alles sehen und mit Würde betrachten kann. Einen Großteil des Tages sollte man dennoch für das, was einen interessiert, einplanen. Im Anschluss ohne Limit Shoppen im Printemps du Louvre und anderen günstigen Boutiquen. An dieser Stelle zu nennen die Galeries Lafayette. Sieht aus wie eine Oper, nur viel teurer. Da gibt es Guerlain, Vuiton, Chanel, Cartier und Co. Wer sich fragt wo die ganzen Frauen Paris' stecken, dort wird man fündig.. Wer seine Kreditkarte nicht belasten kann (oder will), schlendert interessiert durch Welten anderer Einkommensverhältnisse und schaut sich die tolle Kuppel an. Ganz oben im 7. Stock wartet auf der Terrasse ein super Blick über Paris.
Hat man mehr Zeit, fährt man für einen Tag nach Versailles. Beweihräuchern lässt man sich darauf in JeanPaul oder der Sacre Coeur. 
Es gibt auch das andere Paris. Jede Unterführung stinkt intensiv nach Urin. An jeder größeren Straßenecke Obdachlose und Bettler. Dreck. Salut Lutetia! 
Franzosen sagen von ihr aus, dass man eine längere Zeit hier zufrieden leben kann. Nach 3 Wochen sollte man sich aber eine andere Wohnstätte auserkiesen. 
Viva la France!










Samstag, 26. November 2016

Cinque Terre: Mehr Riviera geht nicht!



Postkarten Italiens zieren diese Dörfer. Es sind 5 Dörfer (Cinque Terre), die alle an der Westküste Italiens gelegen sind, eine klimatisch begünstigte Lage aufweisen und ihre kleinen verschiedenfarbigen Häuser zum Meer recken. In den Holzfenstern spiegelt sich die blaue Weite des Himmels und des Mittelmeeres! Denn die bunten Dörfer liegen direkt am Wasser. Ich sage direkt, weil die unteren Häuser diese fast berühren. Selbst Italiener schweigen und verneigen sich ehrfürchtig vor einem Reisenden, der dahin aufbrechen möchte. Dann schwärmen sie einen etwas vor und freuen sich bereits auf Frühling, wenn sie dahin wieder eine Tour machen. Die Postkartenbilder lügen hier nicht. Es ist wirklich so. Das ist italienische Riviera!
In letzter Zeit des Starkregens und der zunehmenden Flut sind aber einige Wege gesperrt, auch wegen Erdrutschen (oder weil man es mit der Ausbesserung diverser Marschrouten nicht so genau nimmt) und die Existenz dieser bunten Häuser ist durchaus bedroht. Von den fünf traumhaften Dörfern habe ich mich zu zweien aufgemacht. Zu Riomaggiore und Manarola. Den südlichsten Städtchen, die darüber hinaus nah beieinander liegen. In einer gemächlichen Stunde ist man zu Fuß von einem zum anderen unterwegs, wenn man sich Zeit lässt. Und das mache ich ja. 
Aufgebrochen bin ich deshalb auch ganz früh. Um 6:30Uhr checkte ich im Hostel aus (was selbst für die Mitarbeiterin -geschweige denn für mich!- unglaublich war) und begab mich auf die Reise. Mein Gepäck ließ ich im Hostel zurück. Da erst halb 10 abends mein Nachtzug nach Frankreich geht, habe ich den gesamten Tag zum Ausklingen und Abschied nehmen von Italien. Dazu einen offenbar traumhaften. Das Wetter zeigte sich gnädig. Man spürte an der Morgenluft, dass es ein toller Tag werden wird. Der Sonnenaufgang im Zug machte die dreiviertel Stunde Verspätung der Regionallinie locker weg. Der Müdigkeit half danach ein Nickerchen im Zug. Knapp 2 Stunden dauerte die Fahrt. Einige Pendler gähnten und schnarchten unisono. Aufregen über die Verspätung hielt keiner für nötig. Da ist man entspannter Dinge. Ich muss auch nicht betonen, dass die Fahrt an der Küste entlanging und der Zug kleine Häfen passierte. In Riomaggiore angelangt bekommt man am Bahnhof zu x-Zeiten gesagt, dass man im Cinque Terre Nationalpark Station gemacht hat. Dazu trifft man.. niemanden! Nur ein kleines Café am Bahnhof hat offen, in dem es einen Cashautomaten gibt und 2 verschlafene Backpacker sich ein Frühstück genehmigten. Durch einen farbigen Tunnel wie im Sealifeaquarium gelangt man direkt zum winzigen Marktplatz Riomaggiores, der gleichzeitig buntes Zentrum und Pausenhof einer kleinen Schule ist. Auch zum Hafen (Marina) und dem Fotomotiv schlechthin ist es von da aus nur ein Katzensprung. Die Katzen hier sehen gesund aus, sind aber recht dünn und erlegen kleine Goldstrieme, die im mautzenden Maul zappeln. Ein Fischer bessert sein Netz im Hafen aus und ein Pärchen schießt romantische Selfies. Das kann ich ihnen hier wirklich nicht verübeln. 
An den Küsten brüten Möven und braun-weiße Tauben. Auch gepflegte Stadttauben trifft man an. Manchmal begleitet einen auf schiefen und buckligen Treppen nur das herbe Kreischen und das leise Gurren und man sucht vergebens nach der Ursache. Die Observation der Tierwelt beginnt, wenn man sich abseits der Touristenwege immer gefühlt wie ein Einbrecher durch die Gassen schlägt. Läuft man vom Platz (Centro Paese) an der linken Hafenseite entlang und bleibt an der Steilküste, flacht diese ab und führt einen zu einem schönen, verwunschenen Steinstrand in einer weiteren Bucht. Mit jeder zurückbrandenden Welle gibt es über den großen Steinen zuerst ein Schäumen, dann ein munteres gurgelndes Geräusch. Weiter ab sieht man 3 Angler ihr Glück im Meer versuchen und die 4m Rute auswerfen. Es gibt Jagd auf Hochseefische. Die Jagd im Hafen beginnt gegen 10Uhr, dann haben Japaner und Chinesen den Ort bevölkert. Nach 20min ist man wieder allein und die Meute ist weitergezogen. Es ist gut wenn man hier die engen, steilen Wege durch die kleine Stadt nimmt und nicht den Hauptweg. Man ist allein und entdeckt Spots wo sich immer alle fragen wie man da hinkommt. Tja einfach einen anderen Weg ausprobieren. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es leben größtenteils ältere Menschen hier. Man sieht sie qualmend oder wäscheheraushängend die grünen Fensterläden aufklappen, auf ihren verwitterten Balkon treten oder in DDR-Schürze Teig kneten. Es wird immer gegrüßt. Man kennt sich hier. Ich hoffe nur dass nicht jeder mit jedem verschwägert ist.. Auch Putzarbeiten kann man in den Gassen beobachten oder Arbeiter, die schwere Zementsäcke auf den Schultern wuchten. Aber alles im Einklang mit der Ruhe. Der Arbeitstag hat in Italien ja 4,5 Stunden... Sonst ist Pension- und Restaurantbetrieb angesagt und im Zentrum duftet es ab 12Uhr nach Küche. 
Von Riomaggiore aus musste ich meinen Plan ändern und 3 Minuten mit Zug gegen meinen Willen nach Manarola fahren, da der Verbindungsweg, der Trattorie via Dell'Amore heißt und an der Küste entlangführt, gesperrt ist! Das brach einem schmerzlich das Herz..vorbei mit der Liebe.
In Manarola ist nämlich mehr Betrieb und mehr Touristentum spürbar. 
Als versöhnliche Wiedergutmachung wird hier Wein hergestellt, der auf den Tischen von Königen problemlos aufgedeckt werden kann. Auch Olivenhaine sind in großer Zahl vertreten. Das Land, was sehr steril und karg anmutet, ist es auf den (wieder) nüchternen Blick nicht. Plantagen wurden von Farmern in alten Zeiten geschickt den Hängen abgetrotzt und in einer formalen Harmonie hinterlassen. Zentrum von Manarola ist die "längere" Hafenstraße, die zum gleichnamigen Objekt führt. Schaut man vom Meer zur Stadt hoch, ist eine Brücke und eine klare Terrassierung der Blickfang. Auch viel Steinklippe. Durch sie wirkt Manarola rauer, gedrungener, mächtiger, obwohl dieses Dörfchen nicht größer ist als das keilförmige Riomaggiore. Vielleicht liegt es auch daran dass Manarola die am besten begehbaren Fotoorte besitzt und das Wetter nochmal alles gegeben hat. Trotzdem schlägt mein Herz eher für Riomaggiore. Mit ihr zusammen bin ich heute wach geworden. Mein Rio. Verträumt, nicht so überfrachtet. Mehr Zeit für Meer und den Genuss. Weniger Tourismus. Aber ehrlich gesprochen ist das ziemlich kleinlich. Beide Örtchen sind es mehr wie Wert sie anzuschauen. Sie sind wahrlich zwei der fünf schönsten Küstenorte Liguriens. Bei sternklarer Nacht sicher ebenso traumhaft. Doch es bleibt mir heute nicht vergönnt diesem Schauspiel mit der beleuchteten Kulisse beizuwohnen. Paris ruft mich. Es geht in Richtung Heimat. 














Donnerstag, 24. November 2016

(Cristoforo) Colombo ermittelt: Aktenzeichen Genua




Es wird viel mehr in dieser Stadt gelebt als ihr gut tut. Diese Metropole. Sie hat schließlich Metro und verschiedene Pole. Sie ist fast schon etwas verlebt und wurde vergebens wieder flott gemacht. Der Mix zwischen hippem Trendy und flottem Verfall zeichnet Genua aus. Also das ist Genua. Ob das eine Auszeichnung Wert ist, möchte ich anderen überlassen.
Ein vielseitiger Piazza del Ferrari, das tolle Porto Antico Viertel, imposante Bahnhöfe und ein neuer futuristischer Hafen gehören zu meinen Lieblingsplätzen. Neben anderen Spots, die aber zu sehr in etwas Zwielichtiges eingewoben scheinen als das man sie problemlos genießen kann. Ich meine damit Spezielles.. Aber solange die Ermittlungen laufen, kann ich nichts Konkretes sagen! Im Allgemeinen toll ist jedenfalls die Altstadt, die von der Unesco zu Recht zum Weltkulturerbe ernannt wurden ist. Das ist der Titel, den Dresden nicht mehr hat... Auch zehrt diese Stadt von seinem seefahrenden Entdecker, Christoph Kolumbus, der hier gewohnt und der damaligen Republik Genua viel Ruhm und Ehre eingefahren hat. Nicht nur als er weitab des Heimathafens auf dem spanischen Festland abgesoffen ist.
Der Hafen vereint Genua und seine Gesichter ganz gut. Dieser schafft es diese Stadt aufzuwerten, ihr das bestimmte Etwas zu verleihen. Auch wenn das Herz des Welthandels nicht mehr für Genua schlägt. Diese glorreichen Zeiten sind vorüber. Nur wenig Frachtverkehr ist sichtbar, auch ein kleines Kreuzfahrtschiff hat sich hierhin verirrt. Der Tourismusmagnet ist Genua nicht unbedingt. Mich haben auch alle mit denen ich gesprochen habe gefragt, was ich hier überhaupt tue. (Ans Meer fahren befriedigte sie nur bedingt.) Am Hafen hört man im Hintergrund nur das ungleichmäßige Rollen der Autos auf dem Asphalt der Autostraße. Diese zieht sich wie üblich laut und nie ruhend um (und durch) die gesamte Innenstadt. Jetzt weiß ich auch immer weshalb Italiener so laut sind und sich gegenseitig anschreien! Sie können nicht anders, da sie den Lärm überreden müssen! Das heißt sie müssen ihn übertönen, ihn überschreien, um verständlich zu sein. (Oder sie lieben einfach ihre Emotionalität, der sie Ausdruck verleihen möchten. Aber das lasse ich mal Außen vor.) 
Was hier fehlt ist die Ruhe. Nicht die Totenstille! Die hat man in einigen düsteren Gassen. Ich nenne sie liebevoll die Hier-fängt-dich-einer-weg-Wege. Ob du am nächsten Morgen artig zurückgebracht wirst, ist fraglich. Dort stinkt es durchaus mal nach Hundekot und Müll. Aber nur ab und zu. Auch der Duft leckerer Speisen mischt sich darunter. Ganz seltsame Kombination. Naja das was man nicht sehen kann, fasziniert. Auch die Kirche hat die Dunkelheit für sich entdeckt. Erst wenn man 1 Euro in den Münzautomaten wirft, geht das Licht an. Erleuchtung bekommt da wissenschaftliche Erkenntnis eingehaucht. Das ist mir in dieser Offensichtlichkeit noch nie unter den Riecher gekommen. Aber rückläufigen Kirchensteuereinnahmen optimistisch entgegenzutreten, ist der Clou. Eine auf ganzer Glaubenslinie gewinnbringende Innovation. Der Priester goes for Financial Management. 
Im Ernst jetzt: Also je länger man finanziell in der Großstadt ist -nein, ich meine prinzipiell. Also je länger man prinzipiell in Genua ist und vergisst um Ecken zu spähen, umso besser kommt man damit zurecht. Das Dunkel ist dann nur noch Dämmerung. Ganz okay. 
Mein Hostel ist mehr wie nur okay. Es ist erst 2014 auf den Markt gekommen und wurde wie mir eine genuaische Anteilseignerin beim Frühstückskaffee mitteilte in Eigenregie und Unterstützung von Freunden ins Leben gerufen. Sehr herzliches Hostel mit Liebe zum Detail, saubere Räume, mitnichten mangelt es an der Ausstattung und aufgeschlossene Mitarbeiter gibts obendrein. So muss ein Hostel! Eine Unterkunft, die ich für sehr empfehlenswert halte. Danke OStellin!
Sonst checkt irgendwo anders ein und Genua ab. Schaut euch diese Stadt aber bitte erst nach anderen italienischen Citys an, da fällt die Eingewöhnung leichter. Oder entfliegt in die obere Stadt z.B. per Standseilbahn, da trefft ihr weniger Trubel an und könnt Mönchssittiche frei herumfliegen sehen, die sich auf Antennen von Häusern setzen. Pfeilschnell schießen sie durch den Himmel und um Häuserecken, getragen vom Wind, der aus ihrer südamerikanischen Heimat weht. Ein Krächzen wie in der Zoohandlung erfüllt die frische Luft. 
Hier kennen sie nur Freiheit. 
Freiheit bedeutet auch der (Fern-)Wanderweg zu den antiken Festungen auf Genuas Bergen. Der Nationalpark Parco delle Mura macht Freude, auch wenn einige Wege forsttechnisch Nachholbedarf haben. Man möchte ein grüner Papagei sein, um einfach mal schnell in die Bergwelt Genuas zu fliegen. So oft man will. Das schafft man sonst nur in angemessener Form mit Moped. Das Vehikel, das für jede italienische Küstenstadt und so auch für Genua unerlässlich ist. Um hier zu wohnen, hätte ich also schon mal günstige Voraussetzungen. Ihr merkt. Die Stadt ist mehr wie nur okay. Eben auf den zweiten Blick. Doch mit dem Zweiten sieht man ja bekanntlich besser. Ermittlung abgeschlossen!








Dienstag, 22. November 2016

Keuchen ist das neue Durchatmen: Ätna



Man macht verrückte Sachen. Manchmal. Immer öfter. Also es soll durchaus vorkommen. Ohne viele Gedankenspiele zuzulassen, waren wir ein wenig verrückt und gingen an die Besteigung des Ätna. 
Wir das sind Philipp und ich. Philipp lernte ich im Hostel in Catania kennen. Er macht eine Woche Auszeit vom Bachelordasein (als Volkskundler- und Kulturwissenschaftler) in Sizilien nebst Malta. Billigfliegern sei Dank kann man die Uni auf Abstand halten. Er kommt aus dem thüringischen Nordhausen und ist ein echter Dude. Wir sind auf einer Wellenlänge. Kerle aus dem Osten und aus einer Generation. Lässig, scharfsinnig und unkompliziert. Derbe hammer Homies um die jugendsprachliche Bezeichnung zu benutzen und damit unsere tighte Freshness zu betonen. Auch wenn wir ab morgen getrennte Wege gehen, da ich nach Genua aufbreche, bin ich mir sicher, dass wir uns in naher Zukunft in Dresden wiedersehen werden. Tags zuvor tingelten Philipp und ich bereits gemeinsam durch Syrakus und verstanden uns bestens. Syrakus ist ein Ort wo Götter vor Freude und in Anbetracht überwältigender Schönheit weinen würden. Sicher auch der Grund weshalb uns gestern ab und an sintflutartige Regenfälle heimsuchten.. Trotzdem schön! Die schöne Altstadt bzw. das historische Zentrum Syrakus' ist auf eine Halbinsel (Ortigia) gepresst, die man per Überquerung zweier Brücken erkunden kann. Bei Abwesenheit von Regen und in der Nebensaison auch etwas länger. Sehenswert ist vor allem das...
Aber zurück zum Höhepunkt also zum Gipfel der Geschichte. Es geht ja hier um den Ätna. Ich muss Prioritäten setzen! Mount Etna: Das 3350m ganz schön hoch sind, war uns so wirklich erst bewusst als wir den Berg 7:45Uhr vom Domplatz Catanias aus am blauen Himmel emporragen sahen. Zum allerersten Mal seit Tagen gut sichtbar. Nur seine weiße Spitze versteckte sich im Nebel und hinter dunklen Wolken. Die Anreise dauerte gute 1,5 Stunden, in denen sich der einzige Linienbus Serpentinen um Serpentinen hochschraubte, um uns auf 1900m auf den Boden der Tatsachen auszuspucken. Das Ding ist massig, riesig. Alle Insassen glotzten auf längst erkaltete Lavaströme und endlos scheinende Felder von Vulkangesteinen. Fotoapparate klickten bei einigen Fahrgästen im Dauerton. Videofunktion wird unterschiedlich interpretiert...und  manchmal auch unterschätzt. Naja ganz schnell waren definitiv die angenehmen 19Grad der Stadt vergessen und eilig wurde alles angezogen was mitgebracht wurde. Manch einer wurde in seinen kurzen Hosen zum Stalagmiten. 7Grad Celsius und ein schneidender Wind ließ manch Abenteurer bereits am Startpunkt, Refugio Sapienza, wanken. Es ist eben nicht mehr Sommer, sondern November.
Wenn man noch krasser drauf ist, kann man von Nicolosi aus auch sportlich per Fahrrad die Straßen zur Talstation hochradeln. Da frage ich mich, ob man das noch Sport und radeln nennen kann. Ist wohl ein mordsmäßiger Spaß...Also Genuss kann das nicht sein 1,5h nur bergauf zu keuchen und auf die nächsten Kurven und den kommenden Anstieg zu warten. Außer Waden wie Baumstämme, die man dafür braucht, hat man 10kg verloren und einen Asthmaanfall hinter sich. Aber die gewählte Anreise und der Grad der Aventüre obliegt ja jedem selbst. Also von der Talstation zu der einem der Linienbus oder der private Pkw bringt, gibt es mehrere Optionen dem Gipfel bzw. dem brodelnden Krater näher zu kommen. Der erste und einzige sinnvolle Schritt ist ein tiefer Griff in die Geldbörse. Zunächst mit der Seilbahn geht es für 30€!!! weiter hinauf zur Bergstation La Montagnola, die sich auf einer Höhe von 2.504 m befindet. Ein Schnäppchen (*heul*). Die meisten Touristen laufen wie geschildert zielstrebig auf die Seilbahnstation zu. Eine Berg- und Talfahrt kostet zwar ein halbes Monatsgehalt und ist deutlich überteuert, aber anderenfalls keucht man 2-3 Stunden anstrengende Aschebahnen hinauf. Es ist ein extrem steiler Weg. Nichts ist befestigt, nichts ausgebaut. Man geht einen Meter und rutscht zwei zurück. Danach zieht man den schmerzenden Fuß aus 20cm feinem Lavakies. Kalt peinigt einen der Wind. Dazu sieht man die uralten, klapprigen Gondeln über einen mühelos vorbeischweben. Wenn das keine Motivation ist... Es gibt auch Leute, die spähen aus der zugigen Kabine, grinsen und schießen Fotos von verzweifelten Wanderern. Das ist dann große Motivation... 
Also wir nahmen den Lift! An der Kasse stellte ein Monitor, der das Bild einer Livecam der Bergstation zeigte, alles klar. Wobei das Bild alles andere als klar war.  Es herrschte Schnee und kaum Sicht. Auch der Mann hinter der Kasse deutete vielsagend auf den Bildschirm. Wir nickten seinen fragend-skeptischen Blick ab und fanden uns 12 Minuten später und 600m höher in der halben Arktis wieder. Mein erster Schnee dieses Jahr und dann ausgerechnet in Sizilien. Wer hätte das gedacht. Und da es auch keiner glaubt, werden Beweisfotos geknipst bis die Hände kalt werden. Dann werden Handschuhe übergestülpt und wir laufen in den Nebel immer weiter hinauf. So weit wie wir eben können und es ungefährlich ist. Das ist unser Ziel. Einfach mal drauflos laufen. Mal sehen. Den Berg spüren.
Die meisten Besucher gehen nicht zu Fuß weiter. Auf einer Höhe von 2.500 m steigen sie für circa erneut 30€ auf einen Geländewagen oder Schneejeep um und lassen sich auf eine Höhe von 2.900m bringen, wo die "Piste" endet, ebenso die gebuchten Touren mit Geländewagen und Jeeps. Das Ende der Piste verschiebt sich mit der Wetterlage. Sieht im November aus wie ein Wendekreis, von Schnee umsäumt. Dorthin gibts aber nur einen Weg. Keine Schutzhütten, Imbisse oder so etwas. Nur Berg und kleinere Vulkane, die 2001 und 2003 das letzte Mal ausbrachen, wir aber durch Schnee und Nebel nicht sahen. Der Hauptweg, welchen auch wir mühsam und mit etlichen Pausen erklommen, teilt man sich wie gesagt mit den Geländejeeps und Schneeräumfahrzeugen. Nur einmal kam uns eine Kolonne entgegen. Ab und an stießen wir sonst nur auf weitere Wanderer, die der Spur aus schwarzem Untergrund hinauf folgten, umkehrten oder eine Rast machten. 
Der Endpunkt der Piste, den wir nach gut 2 Stunden erreichten, ist gut sichtbar. Es ist ab da an nur noch weiß! Komplett weiß! Nur vereinzelte weiße Fußspuren vergangener Abenteuerlustigen führen weiter hinauf und verlieren sich im Nebel. Kein Weg. Nichts zum orientieren. Was links und rechts vor sich geht, weiß man nicht. Wo ein Abgrund ist auch nicht. Man sieht ja nichts. Klarer Fall hier vernünftig zu sein und nicht zu einer törichten Reise ins Unbekannte aufzubrechen. Auf dem Ätna Versteck zu spielen, da gewinnt nur einer: Der Berg.
Vom Endpunkt der Piste bis hinauf zum Kraterrand braucht man nach Berichten aus dem Netz mit Guide (oder allein) gute 90 Minuten. Wobei man erstens niemals! ohne Guide von da aus weitergehen soll. Es ist sogar verboten! Und viele Schilder weisen darauf hin. Und zweitens nur bei guter Sicht und körperlicher Fitness dieses Wagnis auf sich nehmen sollte. Das heißt vor allem bei ausreichender Kondition sowie der Nichtbelastung von Herz- und Atemerkrankungen. Ungeachtet allen Tourismus'! Denn 3350m sind kein Pappenstiel! Die Luft ist dünn und ab 2500m ist jeder Schritt hinauf anstrengend, physisch fordernd. Auch würden später am Krater gesundheitsschädliche Aerosole und Fumerole dazu kommen, Augenreizungen und Jucken der Schleimhäute inklusive, was den Gipfelsturm nicht gerade das heilbringende Prädikat einbringt. 
Wir drehten zufrieden um, knipsen drei wilde Hunde, die oben auf dem warmen Weg ein Nickerchen hielten und stampften hinunter zu einer aufklarenden Bergstation. Auf halber Höhe kam uns ein aus Indien stammender Niederländer entgegen, der wie ein Brasilianer aussah, in Ungarn lebt und ein ziemlich lustiges Englisch sprach. Er teilte mit uns einen Schnack über das Ätna-End-of-the-Road-Erlebnis. Danach teilten wir sein eigens mit hochgenommenes Rum-Cola Gemisch. Echter Rum aus Kuba. Der schmeckte auf 2700m besonders gut und ließ uns hinunterfliegen. Zurück im Bus waren wir alle platt. Es herrschte eine Stille wie auf dem Berg. Später in Catania gönnten wir uns zur Feier des Tages eine Pizza und ein süffiges Birra Moretti. Das Bier der Carleones. Und der Trunk der Gipfelbesteiger wie wir fanden.







Sonntag, 20. November 2016

Sizilien hautnah spüren: Taormina


Was mag ein Kaktus besonders gern? Genau, Slap-stick. 
Diese Stadt hinterlässt einen bleibenden Eindruck, auch wie dieser Kaktus. Dieser Kaktus steht an einem besonderen Fleckchen Erde: Taormina 
Später nenne ich meine eigene Pizzeria Taormina, denn diese Stadt schmeckt jedem und ist ein echtes Prachtstück. Dabei ist sie gar nicht allzu einfach zu erreichen. Man kommt an einer Bergbesteigung nicht umhin. Auch das Auto oder der Kleinbus muss sich im oberen Drehzahlbereich hochkämpfen. Ist man per Pedes, atmet man hochtourig. Viele Wege führen abenteuerlich oder verträumt hinauf. Serpentinen und Schleifen, die für immer im Gedächtnis bleiben. Denn sie sind schön. Es ist ein Ort, der mir auf Anhieb gefällt. Wer Sizilien sehen möchte, sollte hier her kommen und mindestens 4 Tage zubringen. Auch wenn man erst hier rauf muss, kommt man gut runter. Mental. Die Tankstelle für jedes leergefahrene Hirn. 
Es gibt auch eine schöne Insel, die Isola Bella heißt. Ich erkläre jetzt nicht weshalb. Strand kann also auch gut in Kombination mit Berg gedacht werden. Besonders hier an dieser sizilianischen Perle der Ostküste. Auf den mit Naturstein gepflasterten Wegen, alten Ziegelsteintreppen oder Naturpfaden nach Taormina hinauf lebt man auf. Zu jeder Zeit ist das Meer sichtbar und lässt einen gerne einmal mehr (als notwendig wäre) verschnaufen. An jedem Halt offenbart sich eine neue Aussicht. Man möchte sich selbst kneifen, ob das gerade wirklich passiert und man hier steht. Wer auf dem längeren Anstieg aufpasst, sieht Handteller große Eidechsen, die auf den Kalksteinwegen, welche in den blauen Himmel ragen, eilig das Weite suchen. Dazu blühende Kakteen, deren Stämme so dick wie die dreißigjähriger Eichen sind, grünschimmernde Libellen auf die man fast drauftritt und das heftige, aber weiche "Twirt tjschää" und harte, lange "Trrrr" der Bergfinken.
Oben angelangt möchte man plötzlich aus voller Kehle die italienische Nationalhymne singen. Wenn man Glück hat, stimmt jemand mit ein und trällert anschließend die syrakusische hinterher. Die syrakusische Landeslobpreisung 
kenne ich nicht. Vielleicht das Thema aus der Pate?! Auch egal.. 
Dann geht der Traum weiter: ganz alte, alte, neue und in Neubau befindliche Villen pressen sich aneinander, zwischen Fels, Agaven und noch mehr Treppen,  Serpentinen und Kakteen. DIN-Normen gibt es hier nicht. Es ist schon noch Platz und wird klappen. Was nicht passt, gibt es hier nicht. Alte Stadttore, Plätze mit Mosaiksteinböden, niedliche Kapellen und alte Steinbänke sorgen für das Sorglosflair. Auf der Karte ist Taormina nicht groß, aber ist man da, ist es so groß, um sich abseits der Magistrale verlaufen zu können. Mit der nötigen Wanderlust und Kondition sollte der Besucher gesegnet sein und Laufwege im Ort nicht unterschätzen. Aufgrund der zurücklegenden Höhenmeter sind Strecken zeitfüllend. Denn Taormina schmiegt sich in verschiedenen Lagen  elegant um 2 Berge. Über der Stadt thront Castelmola. Nur wenige begeben sich hier hinauf. Vermutlich weil es noch einmal Treppen und Serpentinen bedeutet, dabei ist dieser überschaubare "Ort" noch schöner als Taormina selbst. Hier kann man von der Spitze in alle! Himmelsrichtungen schauen, über Wolken-Windspiele und die Farbe des Meeres staunen oder sich still und fast heimlich das Ja-Wort geben. Wie in einem Kitschfilm, nur ganz real. 
Auch bei Regen, der als Nebel über Castelmola hinwegschwebt, fällt er dann in Taormina warm auf einen herab. Manchmal prasselt er auch. Der Talwind trocknet einen nach dem Kampf der Elemente wieder. Ziemlich schnell kann wieder das schlabberige, durchgeschwitzte T-shirt streunernden Katzen und Schmetterlingen gezeigt werden. Oder zwei Berlinern, die man auch ganz oben antrifft. Man beglückwünscht sich gemeinsam für den eigenen Schweinehund, den man besiegt hat und hier hochgetrieben hat.
Die von der Sonne gewärmten Mosaiksteine hören nach Fehlen der kalten Tropfen auf zu dampfen und die schiefen Dachrinnen verlieren langsam die Lust das Wasser auf die Straße zu spucken. Heute war so ein Tag, da ging das häufiger so. Regen, Sonne, Regen,... Alle 2 Stunden fliegender Wechsel. Nach Starkregen sind die Schuhe nach wenigen Minuten vollkommen durchweicht, trocken bekommt man sie prompt danach. Einfach in der prallen Sonne trocken laufen. Wie ein gut getaktetes Theaterstück waren heute Sonne und Regen meine Begleiter. Genauso spielte es sich vor tausenden Jahren vielleicht im römischen Amphitheater ab, dessen gut erhaltene Überbleibsel in Toarmina zu besichtigen sind. Und noch viel mehr, wenn du den Weg nach Sizilien machst. Ich habe jetzt glaube ich genug Teig für den Eröffnungstag meiner Pizzeria für euch ausgerollt. Kommt doch gelegentlich mal vorbei. Und ihr bekommt ein gratis Stück Pizza. Ach was sag ich! Nicht nur irgendein Stück. Ein Prachtstück! Egal mit was belegt. Alles aus dem Hause Taormina wird euch schmecken.
So jetzt zieh ich mir aber mal die Stacheln des Kaktus ausm Mund. Ich quassel schon wieder zu viel. 













Samstag, 19. November 2016

Wenn du untergehst, mach ein Selfie!



Der Hafenkomplex mit Sitz der Fährgesellschaft LibertyLines schien verlassen. Keine Menschenseele weit und breit. Auf ganzer Linie Freiheit! Ein großer leerer Raum ist hinter schmutzigen Fensterscheiben erkennbar. Nur ein kleines handschriftliches Blatt Papier kündete bei näherer Ankunft vom offenen Ticket-Schalter, der sich hinter dem leeren Gebäude befindet und der sehr geräumig und überraschend groß ist. Diesen betritt man durch zwei langsam öffnende Automatiktüren und eine schummerige Vorhalle. Hier ist alles modern und sehr sauber. Die geschliffenen Granitplatten unter einem glänzen. Mit jedem zaghaften Schritt gibt es ein Tok, das durch die Stille hallt. Eine ältere, etwas kurpulentere Frau wartete hinter jedem der drei Schalter. Eine mit Dutt, die andere mit hochgesteckten Haaren, die dritte im Bubikopfschnitt. Mit meinem Baukasten Italienisch erhielt ich wortlos eine Karte nach Messina. Den Preis zeigte mir Senora Dutt nur auf der Karte ohne die Lippen zu bewegen. Ich bezahlte artig die 3€ für meine Überfahrt. Wie ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste, sollte es beinahe meine letzte Überfahrt werden. Die weiße Schiffsreling sollte das Letzte sein, was ich von der schönen Erde sehen sollte. 
Nach meinem Ticketkauf wendete sich die schweigsame Dutt-Dame ihren Zwillingen und  Gleichgesinnten zu, goss sich eine Tasse Kaffee ein und schnatterte los. Ich verließ den Ort, wo ich meinen Fährmann im Voraus bezahlte..Und setzte mich bis ich an Bord konnte auf den Pier in die Sonne. 
Was macht man im Notfall, wenn das Schiff sinkt? Genau Rettungweste anziehen und an Deck spazieren. 
Wie der Ernstfall aussieht, konnte ich sogar live miterleben. Das ist kein Scherz! Die Überfahrt dauerte 35 Minuten, die vollständige Evakuierung bis fast ins Rettungsboot 8. Es kam wirklich überraschend und es war eine echte Übung, unangekündigt. Mit krasser Alarmsirene. Ein bisschen Panik war dabei. Auch bei mir. Aber die ernsten Blicke der Crew ließen mich die Instruktionen des zu Beginn gesehenen Videos penibel ausführen. Ein Film lief ab, dem ich konzentriert und mechanisch folgte: Weste unter dem Sitz hervorziehen, umschnallen, festzurren, in den Gang treten, langsam zur Decktür begeben. Nach der sitzenden Weste griff ich noch fix nach meinem Hab und Gut. Auch bei Not lasse ich meine Kamera und meine zweite Memorycard nicht kampflos im azurblauen Wasser versinken. Als ich mich bückte, um auch noch schnell -und gegen alle Richtlinien und Verstand- mein Handy aus der Jacke zu fischen, erhaschte ich beim Vorbeugen einen aufschlussreichen Blick. Die Szenerie war Erleichterung. Ganz vorn im Schiffsraum schmunzelte kurz ein junger Mitarbeiter als er die panischen Versuche der Fahrgäste begutachtete die Rettungsweste richtig herum anzuziehen, solange bis er helfend einschritt. Ich war erleichtert. Nun wusste ich, dass es nur eine Übung ist und entspannte mich sichtlich. Ich nutzte die Zeit unter den italienischen Anweisungen ein Selfie zu knipsen, vielleicht mein letztes auf Erden. Die Deutschen sind ja schnell und gründlich, da blieb für die wirklich wichtigen Dinge noch Zeit. 
Nach der Auflösung, dem Durchatmen, den Ich-habs-doch-gewusst einiger Fahrgäste, kam das Ende der Übung. Es gab lange Applaus der Crew, dreimal "grazie per la collaborazione" und ein gratis Wasser! Welch Ironie. Vermutlich dachte nur ich daran wie makaber das ist. Wir wären fast darin ertrunken! Aber was rausgeschwitzt wurde, muss schließlich wieder hineingewirtschaftet werden. Alles gut durchdacht. 
In Messina kann man den Schreck verdauen. Nicht sehr spektakulär. Was ich von einer Stunde Aufenthalt in Bahnhofsnähe eben sagen konnte. Viele Häuserfassaden sind mit Bildern und Graffitikunstwerken bemalt. Keine Schmierereien. Es wirkte sauber. Es war auch wenig los. Man merkte, dass man auf einer Insel ist. Obwohl sie doch recht groß ist. Alles lief hier ruhiger, langsamer. Der Verkehr, die Menschen, alles. Auch der Schaffner sprach überhaupt nicht! Wahrscheinlich ist er mit den Damen der Fährgesellschaft über drei Ecken verwandt...
Die Route bis nach Catania sagte dafür umso mehr aus: Tolle Zugstrecke direkt an der Küste entlang. Mal schneller, mal langsamer. Eine Seite Mittelmeer, andere Seite nebelverhangene, grüne Felswände des Peloritani Gebirges, die etwas von Urwaldatmosphäre vermitteln. Direkt neben dem Zug, auf der vom Mittelmeer abgewandten Seite, ein Meer aus Orangen, Limonen und Kakteen. Dahinter hoher Fels mit hohen Büschen und Sträuchern bewachsen. Aller 10 Minuten öffnet sich die Landschaft und es tauchen abwechselnd bunte Häuser, Brücken, Strommasten und Baustellen auf. 
Dann fährt man in Catania ein. Eine Stadt, die und das klingt jetzt überheblich auf den ersten Blick nichts Besonderes ist. Es gibt 2 tolle Plätze, ein gut platziertes Castello, einen Hafen, die Ruinen eines  imperialen Amphitheaters und einen zauberhaften Campus. Sonst 3 lange, gut befahrene Shopping-Straßenzüge.
Dazu lächelt hier niemand, was erdrückend ist. Vielleicht liegt meine Entschiedenheit am Reiseblues, den tollen Städten, die ich bisher sehen durfte oder einfach daran, dass ich mit dieser Stadt nicht richtig warm werde. Kennt ihr das? Das ist natürlich keine stichhaltige Entschuldigung, aber so richtig wohl fühle ich mich hier nicht. Immer irgendwie unter Beobachtung. Seltsam. Ich bin froh als Italiener durchzugehen. Bart und Sonnenbrille sind meine Tarnung, die ich selten -höchstens zur Hälfte- ablege. Das bewahrte mich aber nicht davor den Tag darauf in Polizeikontrolle zu geraten. Sie checkten sehr genau meine Person aus, konnten aber nichts Verdächtiges an meiner Reiseroute, die sie anhand meines Persos bis ins Kleinste polizeilich nachverfolgten, erkennen. Verflucht gläserne Welt! CIS Sicily! Zum Abschluss lächelte wenigstens die Polizistin und sagte "Grazie". Dann gabs mein Ausweis wieder. 
Ich versuche nun was Nettes über Catania zu sagen: Nett sind die vielen Werkstätten, Wäschereien, Schuhmacher,  Strumpfläden und "Kfz Betriebe," die in einer 20 Quadratmeter Höhle eingerichtet wurden, wo wundersam eine Hebebühne, 3 Regale und 7 Roller drin stehen. Auch nett sind die kleinen Lebensmittelläden in den Nebenstraßen; der Transport von kleineren Dingen per Handseilwinde an der Fensterfront hinauf bis zum dritten Stock; Fiat Puntos mit nur!!! 6 Leuten drin; die kleinen 8-jährigen Straßenjungen, die dann wenn sie glauben niemand schaut hin, verboten auf Denkmäler klettern; die Tabaccherias und Zigarrenopis. Alles wie eben Italien ist. Bei Nacht gefällt mir die Stadt sogar (besser). Das soll was heißen. 
Der Kontrast von allem ist hier stärker. Aber Erholung mochte dennoch nicht richtig aufkommen. Deshalb klammere ich mich so daran. 
Nett ist auch Haschim, ein Italiener mit indischen Wurzeln, der hier im Hostel hinterm Check-in waltet. 
Er sagte immer: "Wir schaffen das". Was auch immer. Egal was, auch wenn es unmöglich ist. Mit ungebremster Euphorie und Optimismus. Er war nur am merkeln. Auch wenn zum 10. Mal das Licht ausging und kein Wasserhahn flüssig funktionierte. Eingeseift in der Dusche sah es dann für manch einen ganz schön düster aus. Er machte schlechte Witze über die er sich selbst königlich auf die Schenkel klopfte, was ich klasse fand. Der Erste, der in Catania lacht und es so meint. Die Zimmer sind absolut top mit klasse Ausblick. Dazu gibt es das bisher allerbeste Frühstücksangebot meiner gesamten Reise. Die Badezimmer sind naja.. antiquiert, selbst wenn das Licht und Wasser mal gehen sollten. Dafür eine hammer Dachterrasse und Aufenthaltsraum. Ich bin eh nur paar Nächte hier und habe sowieso anderes vor als die Stadt länger als nötig zu durchkämmen. Syrakus, Ätna und Taormina waren Michaels Empfehlungen für die Ostküste Siziliens. Sachen zum anschauen. Am besten mit frischer Kraft und bei Tag. 
Plötzlich geht das Licht meiner Bettlampe aus. Kurz darauf höre ich jemanden pfeifend zum Stromkasten eilen, um die Sicherung umzulegen. Haschim. Zum 11. Mal heute. Ich kann nicht anders als in mein Kopfkissen zu grinsen. Zum ersten Mal heute. In dieser Stadt mit der es mir schwer fällt warm zu werden.