Ich trank mit Francesca, die wahrscheinlich jüngste Frau an einer Hostel-Rezeption überhaupt, zwei Cappuccino. Zwei! Na, ihr werdet merken weshalb. Die B&B Centrale ist zwar ausgebucht, aber jeder der 8 Gäste hat hier ein deluxes Privatzimmer mit jeweils vier(!) Betten, Bad, Kühlschrank, TV und Balkon zum kleinen Preis. Und vor allem hat jeder Gast schon längst gefrühstückt. Ich war spät dran und der letzte im Bunde der Toast-Verdrücker. Es ist kurz vor halb 10. Ich war von der gestrigen langen Fahrt von Neapel platt und nutzte den Tag um auszuschlafen, zur Entspannung und zur gründlichen Planung meiner bevorstehenden Reise. Die letzte Planung für meine nun noch zwei Wochen. Ich fragte Francesca über meine Müslischüssel schauend, ob sie mir etwas in Reggio di Calabria empfehlen könne. Sie sagte sehr musikalisch etwas auf Italienisch. Darauf ein wenig unsicher etwas, das ich verstand: ihren Kaffee. Deshalb trank ich mit fortschreitender Zeit gleich zwei und wir unterhielten uns. Ich fragte sie beiläufig nach ihrem Alter und sie erwiderte nach einer etwas zu langen Überlegungszeit sie sei "venti", also 20, was ich ihr glauben sollte. Ich spürte, dass sie -wenn überhaupt- im 17. Jahr steht. Den geschulten Blick konnte nichts täuschen. Die junge Italienerin ging ganz schön offensiv zu Werke, bemerkte ich verwundert als sie sich einfach an meinen Tisch hinzusetzte. Wir redeten nicht viel, ihr Englisch warf nur das Nötigste ab. Dennoch verstanden wir uns gut und gelangten schnell zum Verständnis des gegenseitig Gemeinten. Darum geht es ja.
Der Kuchen ihrer Mutter, der hier immer zum inklusiven Frühstücksangebot zählt, war ebenfalls gut. Es fand sich danach auch Platz für ein weiteres Stück.
Francesca ist ein bisschen flippig, was zu ihr gut passt (und nebenbei meine Alters-Theorie stützt). Es finden wenig jüngere Leute hier ins Hostel, erklärte sie mir, gerade im November. Und sie freue sich mal wieder jemanden ihres Alters zu treffen. (Innerlich jubilierte ich.) Es scheint wohl so. Zwei Tassen Cappuccino sagen alles.
Kugelrund, geputscht vom Kaffee und mit Vorschlägen Francescas ging es zum Hafengelände, wo auch Fähren nach Messina schippern. Morgen werden sie mich dahin mitnehmen.
Der Fährhafen (hier Porto genannt) wirkte wie eine kleinere Version der Docks von Manhattan. Etwas bis sehr nach der Blütezeit. Nicht ungewöhnlich, dass auch Vierbeiner dort herumtollten. Zumindest abseits. Bei sich nahenden Hunden soll man bekanntlich keine Angst zeigen und ihnen sicher entgegentreten. Das mache ich bei Chihuahua und Spitz gern, da ich sie wegtreten kann, wenn nötig und mir ihr milchzähniges Gebiss nicht den ganzen Oberschenkel amputieren kann. Ganz anders aber bei großen Doggen, die angesprintet kommen und ich wenig daran zweifelte, dass ihre Augen blutunterlaufen sind und ihr nahender Biss meine bisherige Schmerzskala toppen wird. Ich weiß nicht was passiert wäre, wenn ich den Plan in die Tat umgesetzt hätte und mit offenen Armen an Ort und Stelle verharrt wäre. Aber ein Duell mit drei abgerichteten Fleischhunden war für Mutter Instinkt genug. Für mich also ganz schnell Abenteuer genug, um die weiße Fahne zu hissen und mich wie Jackie Chan an einer Mauer hinaufzuziehen und in Sicherheit zu bringen. Ich danke hiermit meinem ehemaligen Sportlehrer für seine Vorliebe für Geräteturnen und die extra Lektion Klimmzüge: Danke, Herr Rost!
Die versteckten hinteren Hafenanlagen sind schön, aber eben das Revier der streunernden Hunde oder Gefährten der schweigsamen Schiffsbootbesitzer. Sie sehen es anscheinend nicht gern, wenn man halb zugewachsene Schotterwege für das beste Fotomotiv begehen will.
Neben Adrenalinkick hat es hier ganz klar etwas von Sommer. Gute 20 Grad ließen mich kühn die kurze Hose auspacken und ohne diese Entscheidung zu bereuen, versüßte sie meinen Tag. Luftige Beine sind toll!
Sehr luftig sind auch einige Häuser am Mittelmeer. Alte Baracken ohne Türen und Fenster erinnern an bessere Zeiten als florierender Erholungsort. Es wird sich überall auf die Nebensaison eingestellt und alles abgebaut. Jeder Kiosk und jedes Restaurant in Strandnähe war geschlossen! Unbeeindruckt davon zeigte sich lediglich die sehr langgezogene und parallel verlaufende Einkaufsstraße, welche mit allen westlichen Läden der Großstadt mithalten kann. Also bis 14 Uhr, dann wars das.
In R.d. Calabria gibt es breite Strandpromenaden mit Kakteen und Agaven, die teilweise noch blühen, sodass über den Bürgersteig der Duft nach Melisse weht. Und etwas, was ich nicht kenne, aber gut riecht. Der Strand schnuppert nach Salz, Tang und Hoffnung. Ab und an finden sich riesige Bananenstauden und farbige Ruderboote, welche majestätisch, aber allein -abgesehen von wenigen Fischern- dem Sandkasten Gesellschaft leisten. Ein Strand für den man im Sommer sicher Nutzungsrechte erwerben muss; für rundgelutschten Kies und feinen Quarzsand. Ab und an sind farblose Zigarettenstummel, braunes Treibholz, aber auch angespülter Plastemüll zu finden. Mit den Palmen, den Blick auf Sizilien und dem Aspromontemassiv, kommt auch im Winter Malibu-Stimmung auf. Das Mittelmeer trägt die Farbe Azurblau. Es ist wirklich azurblau. Ich kenne keine treffendere Bezeichnung. Klar ist das Wasser obendrein. Man sieht 20 Meter vom Strand entfernt immer noch den Grund. Dieser Tag ist Erholung, die man merkt. Ganz bewusst merke ich sie hier. Mehr muss man eigentlich nicht sagen. Genau. Mehr muss man nicht sagen.
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