Montag, 7. November 2016

Die italienische Lebensversicherung: Tachonadel auf Anschlag!



Vespa und Lambretta schmücken jede Straße wie den Weihnachtsbaum Lametta. 

Wenn es nach diesem Spruch ginge, wäre hier nur Weihnachten. Doch nur weil es eine Lambretta ist, muss man nicht unbedingt wie eine V2 brettern, möchte man den Italo-Rasern (weiblich eingeschlossen) zu verstehen geben. Aber bevor sich die Italienerin oder der Italiener hier auf den knatternden Untersatz schwingt, wird sich noch eine Fluppe angesteckt (deshalb auch Feuerstuhl genannt) und erst dann wie der Henker Gas gegeben. Durch enge Gassen und huggeliges Pflaster rast es sich mit 70 Sachen ganz fein. Nebenbei wird lautstark telefoniert(!) und natürlich artig gehupt. Das dient vor allem dazu den Vordermann anzuspornen noch schneller zu fahren, das nervige Blinken und regelkonforme Fahren künftig zu unterlassen und ggf. nicht sichtbaren Hindernissen zu erkennen zu geben, dass man mit Lichtgeschwindigkeit herannaht...Und zum Bremsen niemals  in der Lage ist! Man muss ja multitaskingmäßig rauchen und telefonieren. Naja Straßenverkehrsregeln lassen hier Raum für Interpretation (vgl. mit der englischen Härte beim Fußball) und sind für Italiener eher Richtlinien. Die Eintracht zwischen Knautschzone, Stoßstangenkontakt, Delle wie Kratzer und geschmierten Carabinieri ist nur einen Sch(r)eck entfernt. Feeling wie auf der Carrera-Bahn ist das was zählt. Und das Spielzeug, das wahrscheinlich bei jedem Flo(rentiner) in der Kindheit unter dem Weihnachtsbaum lag... Fehlt nur noch, dass einer während der rasanten Fahrt die Fußnägel feilt. 
Apropos Fußnägel. Schaut man sich die Galleria dell 'Accademia an und die von Bartolini, Bottichelli, Michelangiolo, Pampaloni und natürlich Michelangelo Buonarroti designeten Skulpturen staunt man nicht schlecht. Denn sogar die Füße, Zehen und Venen! sind akkurat und fein aus Stein oder Marmor gemeißelt wurden. Meisterhaft! Man holt sich das Kunst-Lehrbuch live und überwältigend ins Haus. Der David Michelangelos ist natürlich dabei und richtig richtig nett. Voll nett wie er sich den Waschlappen locker über die Schulter wirft und sich am Bein kratzt. Kennt doch jeder Mann. Blöd ist, dass alle Frauen danach nur so einen trainierten Typen haben wollen, der so aus der Dusche steigt und ihnen früh mit verträumten Blick das Frühstück ans Bett bringt. Zumindest meine Hosteldamen schwärmten davon und konnten von diesem 5m feinstem Stein nicht genug bekommen. Es ist also doch die Größe, die einen hier aussticht. Als ich ihnen sagte, dass er jetzt schon um 514 Jahre alt sei und ihnen ergo nur noch ein Opa aus der Dusche entgegenkriechen würde, ignorierten sie das. Sie starrten gebannt dahin, wo es bei David besonders detailliert zugeht. Der Rücken ist übrigens auch entzückend, möchte man den Damen ans Herz legen. 
Wie dem auch sei, Schönheit kennt kein Alter und trotzt jedem Verfall. 
Aber viele andere großartige Monumente findet man da auch. Der Rest in der Kunstakademie ist Heiligenbild an Heiligenbild an Heiligenbild... Das wird schnell langweilig und einem zuviel. 
Man sucht sein Heil in der Flucht. 
Die geborene Venus schaut in den Uffizien räkelnd von Leinwand auf einen herab und lädt einen ein zu bleiben. Viele andere Botticellis und die halbe Kunstwelt auch. Viele Besucher sind zwar nur an Fotos bekannter Gemälde interessiert und zeigen sich genervt, wenn andere nah an Meisterwerke herangehen und über Details sprechen. Aber wer bin ich mich darüber aufzuregen. Ist wohl alles Kunst. Für diese Kunst braucht man ebenfalls ordentlich Zeit, um sie sich anzuschauen. Es gibt verdammt viel Gerahmtes. Auch wer nicht im Bilde ist, passt gut in diesen Rahmen. 
Erst am nächsten Tag macht man dann Dom und Co. Der von Brunelleschi designte Dom macht wirklich was her und sollte in Kombination mit Kapelle, Santa Reparata, Babtisterie und natürlich Campanile, dem Klockenturm, erblickt werden. Auch hierzu unbedingt Zeit mitbringen, denn es ist nicht ungewöhnlich jeweils 1,5h für den Einlass zu benötigen. Sonst auf Starkregen hoffen und keine nennenswerte Schlange vorfinden. Oder am ersten Sonntag jeden(!) Monats zur Abwechslung günstig ins Museum gehen, egal in welches. Alle Museen sind an diesem Tage frei von Eintritt! Es kostet nichts, aber ob es umsonst ist, muss jeder selbst wissen. Aber zurück:
Auch die vielen Treppen des Doms zu erklimmen, benötigt Zeit. Die fein gemalte Domkuppel, der man ganz nah sein kann sowie der Blick auf Florenz' Dächer entschädigt hierbei für die Strapazen des Aufstiegs. Inhaltlich sagt das Kuppelfresco aus dem Jahre 1572 dem Betrachter was passiert, wenn man nicht aufgegessen hat, den Eintrittspreis drücken möchte oder böse flucht: The Final Judgement! Da kann man hautnah dem gehörnten Teufel beim Snacken von nackten Menschen zuschauen, die vorher noch kurz abgehangen und angeschmort werden, damit sie schön saftig sind. Schade, dass es unterhalb der Kuppel sehr eng zugeht und man schwer Zeit zum längeren und detaillierten Gucken hat. (Oder zum auf der Kuppel verkuppeln hat.) Ist vielleicht auch besser so.. Wer weiß, ob man vielleicht noch ernsthaft daran glaubt. Man sollte nicht an das jüngste Gericht glauben, eher an das leckerste Gericht. Aber da spricht auch nur der Hunger aus mir. Besser weiter ziehen und sich die Nase an anderen schönen Dingen plattdrücken. Zum Beispiel den Glockenturm. Apfelsaftschorle unten zu trinken, bringt nichts. Es gibt keinen Lift. Ohne zu Liften sollte aber auch im Urlaub drin sein. 
Giotto, der Bauherr, dessen Ur-ur-ur-ur-Urenkel später das kugelrunde Süßspeisenrezept entdeckte, hat einen tollen Job gemacht. Viele Stufen. Nur knapp 420. Also am besten aufessen, sonst wirds körperlich fordernd und man schnappt so lange nach Luft bis man selbst ins Wandgemälde eingeht und das Jüngste Gericht mitmachen muss. Wenig lecker! Aber müssen muss man ja nichts. Das möchte man den rasanten Südländern in den Lack ihrer Höllenmaschinen kratzen, damit sie einen Gang runter schalten. 
Es langsam anzugehen ist die beste Lebensversicherung.








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