Autodromo Internazionale Enzo e Dino Ferrari. Das klingt schon nach 8-Zylinder-Musik und jedem Motorsportverliebten schlägt da die Einspritzpumpe höher. In der Luft hängt leider seit längerem kein Gummi-und Abgascocktail mehr. Das gesamte Areal wirkt verlassen. Nicht nur von ganz viel PS. Nur der ein oder andere Formel 1 -oder Moto GP-Verrückte verirrt sich hierher. Und zwar an die Start- und Zielgerade, deren Belag sich dennoch perfekt präpariert präsentiert. Die Stimmung ist dennoch wie im endlos weiten Appachenland und liegt daran, dass der Tower und die Boxengasse saniert werden. Nur keiner arbeitet hier. Es ist schon alles fertig! Man fühlt sich etwas wie ein zu spät angekommer Fan, dem nur noch übrig bleibt durch die längst geschriebene Renn-Vergangenheit zu wandeln. Von weiter Ferne geführt vom Echo der Stimmen Heiko Wassers und Christian Danners durch das längst abgebaute Parc fermé, die Kommentatorenkabine und die belebte Boxengasse, wo Kai Ebel immer die Piloten interviewte.
Nächsten Sommer aber soll dann der Motorsportzirkus wieder im Motodromo Einzug halten und die frenetisch jubelnden Tiffosi entfesseln. Das ist leicht vorzustellen. Klappte bisher immer. Ferrari muss nur noch so einiges an Qualität und Arbeitsstunden dafür aufwenden.
Überraschend ist die Lage der Strecke, welche direkt in den toll angelegten Stadtpark (Parco delle Acque Minerali) der sehr italienischen Kleinstadt gebaut wurde. Der Kaffee schmeckt hier aber nicht oktanhaltig, sondern so wie er sein soll. Sogar noch besser. Die Italiener können es wirklich. Sie bekehren bald einen Kaffeeabstinenten zum -Junkie.
Wenn man genügend Zeit mitbringt, kann man die 4,9 km lange Strecke (eher minder) einfach umrunden und bekommt mit ein wenig Geduld und Kletterkünsten einzigartige Gelegenheiten auf Rivazza, Piratella oder andere Teile der abgesperrten Strecke zu schauen. Auch verlassene Ruheplätze und Lager von Streckenposten sieht man gelegentlich noch. Die Jugend klettert natürlich an einer Stelle, wo es geht und niemals einer vermuten würde -aber ganz legal!- auf eine abgelegene Tribüne im Wald, um den Sonnenuntergang anzuschauen. Man blickt zwar nur auf Asphalt und rot-weiße Curbs, aber knisternde Spannung hängt spürbar in der Luft. Man ahnt, dass jederzeit ein Bolide um die unvorstellbar engen(!) Kurven brausen könnte. Romantisch ist das irgendwie schon.
An besser zugänglichen Abschnitten stehen aus dem Nichts plötzlich Fans wie du neben dir und schildern mit strahlenden Augen und italienischem Feuereifer von vergangenen Zweikämpfen auf der Piste. Viel Italienisch, Hand und Fuß. Das kenne ich mittlerweile schon. Aber mit Fahrernamen aus vergangenen Zeiten, die man kennt. Tschuumakrer heißt unser 7-malige Champion und Rekordsieger des Circuit übrigens hier. Das hat mich schon ergriffen. Bei Senna und Schumi bekommen fast alle Italiener einen Herzinfarkt und feuchte Augen. Sie atmen tief durch, dann sprudeln sie erweckt los. Es ist eine Agitation, die ist ansteckend. Schwer beschreibbar. Ich bin sehr zufrieden hier zu sein, denn auch ich spüre wie schnell mein Herz schlägt. Einfach nur, weil ich die Strecke sehe, Kurven aus dem TV wiedererkenne, denen ich oft mit den Augen gefolgt bin.
Nach einigen Minuten gelangt man an einen Hotspot, wo viele Leute stehen: ein Pilgerort.
Nahe der Stelle, an welcher der 34-jährige Ayrton Senna im Boliden am 01.05.1994 tödlich verunglückte als er ungebremst in die Streckenbegrenzungsmauer schoss, hängen Brasilien-Flaggen, Bilder, Portraits und T-Shirts mit Widmungen und es werden weiße Blumen niedergelegt. Das traurige Ereignis ist immer noch lebendig. Viele Besucher tragen Senna-Kappen oder Jacken mit seinem Namen oder Profil. Etwas, das ich nicht erwartet hätte. Er war ein Mann, der völlig bewusst das Risiko eingegangen ist und in diesem ernsten Spiel im Land des Adrenalins sein kostbares Leben ließ. Wie man sein Leben aufs Spiel setzt und gestaltet ist jedem seine Sache. Werten sollen das andere.
Der Ausnahmefahrer wird von seinen Anhängern wie ein Gott verehrt. Mit seinem Tod ward Senna endgültig unsterblich.
Unsterblich sind auch die Speisen im America Graffiti Diner an der Asphaltpiste. Sehr amerikanisch in der Einrichtung und tolle alte Ami-Klänge aus der Jukebox. Tagesprädikat: besonders wertvoll.
Ich nehme mir vor, nochmal nach Imola zu einem Rennwochenende zurückzukehren. Mit guten Freunden im Schlepptau. Ich weiß schon, wen ich da frage. Ist ja auch ähnlich wie ein Festival. Zelte und kalte Getränke sind sicher. Musik gibt es auch reichlich: Motorensound und After-Race-Party ohnehin. Es sollte also zu schaffen sein. Sonst mal daheim am Lausitzring- oder Hockenheim.
Der Tag war eine Reise durch die Kindheit. Denn sie ist ein Teil von jedem von uns und wird es immer sein. Auch in 50 Jahren werde ich (hoffentlich) mit meinen Enkeln oder guten Freunden Rennsimulatorspiele auf einer Konsole zocken und durch den Autodromo von Imola heizen. Tröstlich. Lustig. Und ganz und gar ungefährlich. Der alten Zeiten Willen. Warum auch nicht? Es gibt Sachen, die machen Spaß und werden sich nie ändern. Wenn man es will. Warum sollte man das krampfhaft ändern müssen? Für manche Dinge ist man nie zu alt, nur zu müde und alt eingesessen.
Ich schwenke nun die schwarze-weiß-karierte Flagge. Noch ein Wort und wir fahren zusammen über die Ziellinie: Bellissimo!
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