Sonntag, 23. Oktober 2016

Sahnig, fruchtig, frisch..Hinein ins Wiener Feeling!


Peinlich gepflegte Gärten mit einem geschlossenen 50mm Rasenteppich werden abgelöst von sprudelnden Wasserspielen, in denen das klare Nass, nachdem es schäumend und geräuschvoll ins Becken planscht, ein perfekt gleichförmiges Muster auf der bewegten Oberfläche bildet. Grünende Buchsbaumgewächse, die kopfhoch in exakt geometrischer Kegelform -oder wie ein länglicher Pyramidenstumpf die leicht knirschenden Kieswege einfassen, bannen den Blick des Betrachters.
Erste zögerlich küssende Paare sitzen halb umschlungen auf der Holzfläche gusseiserner Bänke, von denen der funkelnde Morgentau flüchtig weggewischt wurde. Gequält schauende Jogger sind durch die Frühe unterwegs, wobei sie durch die mit allerlei barocken Skulpturen und Fabelwesen gezierten Parkanlagen krauchen als gäbe es für jeden zurückgelegten Meter die Vergebung für ihre unerlaubten Fressattacken in der Abendstunde. Dazu Touristengruppen, die per pinken Regenschirm oder zweckentfremdeter Reitgerte über das großzügige Anwesen geschleust werden. Verschlafene Schulklassen, die vor den barbusigen Sphinxen-Statuen aus Stuck-Marmor kreative Selfies knipsen. Und Sonne, die einen kraftvoll wärmend auf den Pelz scheint. Das alles ist Weilen auf Schloss Belvedere. 
Belvedere, bestehend aus oberem und unterem Schlossteil.
Was bei all der Versailles-Stimmung nicht fehlen darf, sind gesundheitsbedenklich aufgespießte Tierköpfe aus Bronze und 1005 schwimmende Rettungwesten von Flüchtlingen im kniehohen Schlossteich. Ein schwimmendes Mahnmal  aus künstlichen Seerosen. Ai Weiwei, der renommierte Konzeptkünstler, Aktivist und Botschafter für Gegenwärtige Kunst und Flüchtlingspolitik (Slogan: "Alles ist Kunst - Alles ist Politik"), stellt hier und einige Meter entfernt einige seiner beeindruckenden Exponate aus. 
Das ist Belvedere von heute. 
Sehr gut anzuschauen, auch von Innen. Sehr "gut" auch im Eintrittspreis...nicht!An Pomp und Prunk steht Belvedere Schloss Schönbrunn nicht in zu viel nach. (Auch wenn mir dafür die Ösis unverständlich eine heiße Käsekrainer um die Ohren hauen werden.) Müsste man sich entscheiden, votiere ich klar (nicht für Trump, sondern) für den Kaisersitz Schönbrunn.
Dürfte man selbst wenig freundschaftlich mit Kultur gestimmt sein, sollte man sich dies dennoch geben. Wenigstens das Basic-Paket. (Danach kann man immer noch einen Apfelstrudel liebhaben!) Wenn nicht entweder auf der Parkbank des Stadtparks Schokolade futtern und Gespräche belauschen oder einfach noch dem Leben zugucken und paar Runden so durch die Stadt und ihre vielen sehenswerten Plätze drehen. Im Riesenrad versteht sich. Am Prater. 
Am Praterstern-Riesenrad dreht es sich am besten und das auch noch von ziemlich weit oben. Da schaut der Höhentaugliche gediegen über orangefarbenes Gelb-Grün der Arenawiese, wahnwitzige Fahrgeschäft-Attraktionen und Stadt. Besonders kurz vor Sonnenuntergang ein wahres Erlebnis. Da küsst die Sonne alles und jeden. 15 Minuten Magie im großen Hamsterrad. Wie Zauberei ist dann auch das Geld weg. 
Wer es Bunt mag, stattet einen Spaziergang entfernt dem Hundertwasserhaus einen Besuch ab; streitet über Nivellierung des menschlichen Geistes durch gerade Linien, diskutiert über Ästhetik des Geschmacks und läuft Gefahr die physikalischen Baugesetze über Bord zu werfen. Gerade und eintönig ist es am etwas anderen Wohnhaus nicht gerade. Vielmehr ist hier die Koexistenz und Dynamik der verschiedenen Dinge und der Menschen greifbar. Das wollte auch der Schaffer, der Milieu-Opa von Nebenan und Szene-Ausnahme-Künstler, der ziemlich scharfsinnige Friedensreich (Regentag Dunkelbunt) Hundertwasser so. Wer nicht weiß, warum dies Not tut, dem empfehle ich einen genauen Blick auf die versklave Architektur (Einkaufszentren, Hotelbaus,...) seiner näheren Großstadt zu werfen. Das spricht Bände. Danach weiß man, was eine etwas andere Wohn-und Lebekultur erreichen kann. Solch ein Hundertwasser sollte mal wirklich nachhaltig durch jede einzelne Großstadt spülen! Spülend leicht. Aber volle Wirkung!
Mit Kunst und Krempel vollgepumpt setzt man sich darauf am besten am Karlsplatz oder im Museumsquartier in eines der scheenen Wiener Caféhäuser und gibt sich eine Kaffeeinfusion mit Melange oder ordentlich Schlagoberst. Einfach weilen ohne zu eilen. Da angekommen holt man sich gedanklich den letzten Sonnenbrand des Jahres und wartet schon einmal darauf, dass die Beachvolleyball-WM anfängt, die 2017 auf der Donauinsel ausgetragen wird. 
Bleib einfach bis zum Sommer hier! Bleib hier, wenn du kannst. Ich kann nicht, muss weiter. Will euch und mir noch andere schöne Dinge zeigen. In mir sprudelt es. Ernsthafte Konkurrenz zum Wasserspiel in Belvedere. Die Zeit treibt mich fließend weiter. Zum nächsten schönen Ort. Aber erst nach morgen. Und morgen ist fern. Deshalb nochmal Kopfsprung voran. Hinein ins Wiener Feeling.


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