Samstag, 15. Oktober 2016

Mozart spüren: Salzburg

Grüß Gott!
Euer Hosteltester vom Dienst funkt für euch die nächsten Tage aus einer weiteren Station im Ex-KaiserINland, die er auf Herz und Nieren prüft: Der Stadtalm in Salzburg. Der Name der urigen Ösi-Herberge ist Programm. Schon die Anreise auf die Stadtalm ist ein rares Erlebnis. Denn auch wenn man glaubt, dass inzwischen alle Orte mit dem Auto erreichbar sind, hat man sich bei der Stadtalm kolossal getäuscht: Hier heißt es Koffer selbst tragen oder versagen! Denn sie ist eine Alm auf den südlichen Berghängen Salzburgs, die inmitten des Naturschutzgebiets Mönchsberg liegt, in dem jegliche Motorfahrzeuge strengstens verboten sind. Vor dem herrschaftlich eingefassten Parkeingang weisen ernst dreinblickende Marmorstatuen und ein amtlicher Schilderwald auf die bevorstehende Plakerei hin. Bequem kann man lauffaul -zwischen der Edelweiss cooking school und der St. Blasiuskirche- auch mit dem Mönchsbergaufzug auf den Steilhang hochschnellen oder eben sportlich zu Fuß. Ich hielt mich nach gestriger Bergetappe für alpin erfahren genug, um mich für letzteres zu entscheiden. Oberschenkeltraining muss schließlich sein, wenn man der Stadt auf die tiefgehende Art auf den Pelz rücken will. Ich schulterte die Kraxe und ging meine gewohnte Pace. Ich zog Touris und verliebte Paare, sozusagen das Nicht-Alpen-Volk,  regelrecht ab, ohne dass ich es darauf angelegt hätte. Ihr Erstaunen zu sehen, war trotzdem genehm. Egal welches Anreiseformat man letztlich erwählt, über mangelndes Erlebnis kann sich jedenfalls keiner beschweren. Fakt ist weiterhin, dass man die Türschwelle des Hauses überschreitend vergeblich schnatternde, kreischende, BRAVO-lesende Teenies und geschwätzige Schwitzer suchen wird, die einen die Zugfahrt zur Hölle gemacht haben und dessen Business-Gezappel man ruhig ausgesessen hat. Hier jodelt Ruhe und Erholung aus jedem Hüttenmeter! Bleibt man hier länger wird man sicher wie der Namensgeber des Berges: zum Mönch. Das Naturfreundehaus (so prangt es am Eingang) wirkt innen etwas rustikal, aber kein Stück aufgesetzt. Einfach 120 Jahre zurück in der Zeit gibt alles dem Herz einen freudigen Hüpfer Teil von diesem Damals zu sein. Die gebrauchten Gusspfannen an den bewusst leicht schäbigen Wänden von denen kleine Holzbalken künstlich die schiefe, rußige Decke halten, lassen nichts an Gemütlichkeit vermissen. Orange-rote Flammen könnten spielend am Holz im vorhandenen steinernen Stubenofen lecken, sodass aufgeregte Schatten über die buckligen Wände huschen würden. Aber draußen ist es sommerlich! Alte Möbel, abgeblätterte Doppelfenster und braun-graue Fotos runden die Sache ab. Wie in Großmutters Stube aus alten Heidi-Filmen. Es riecht nach deftigen Klößen, Gulasch, Rotkraut, Holz und Blumen. Ich merke plötzlich wie viel Hunger ich habe. Nach dem Check-In in Form eines analogen Bleistifts und Zettels (kein PC), die mir von einem gestressten Mittvierziger in Kittelschürze und Schnurrbart gereicht wurden, genehmigte ich mir eine dampfende Portion Österreich und drehte den gesättigten Körper Richtung Panorama und sah mich satt an allem. Nach einer halben Stunde riss ich mich von dem sagenhaften Ausblick aus 470m Höhe los und stillte meinen Durst nach Sonne, fantastischen 20 Grad! und Stadt, indem ich mich auf sie stürzte: volle Gulaschplautze voran durch Gassen, versteckte Winkel, entlang der Salzach, vorbei an Oberleitungsbussen, die sich durch alte Stadttore quetschten und schlenderte über singende Brücken. Überbrücken möchte man die Zeit möglichst nicht, nur bleiben. Leider bleibt die Zeit nicht, wo sie war. Ich weiß nur, dass ich mindestens einen Tag länger als geplant bleiben werde. Diese Stadt ist wie Mozarts Musik: lebendig, großartig und famos.



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