Buon giorno. La loro prossima tappa: Italia! (Guten Tag. Ihr nächster Halt: Italien!) So hört sich das an, wenn man hier ankommt. Nur viel schneller und unverständlicher gesprochen. Und so sieht es hier aus:
Pinienbäume und Dattelpalmen als vorherrschende Baumarten. Stolze Frauen mit schwarz gelockten Haaren, die einen wechselhaft wie die See anschauen und ihre bunte Wäsche auf Leinen vor verblichene Häuserfassaden hängen. Winzige Eidechsen, welche sich an den warmen Gartenmauern, von denen der Putz bröckelt, sonnen und diese flink hinabrennen, wenn man ihnen zu Nahe kommt. Lautstark gestikulierende Telefongespräche gegelter Männer Mitte vierzig, die mit einem Glas Aperol Spritz in der Hand auf ihrem Balkon oder im Café an der gut befahrenen Straßenecke sitzen. Schnurrbärtige Zeitungsleser, die kopfschüttelnd die Schlagzeilen verfolgen oder im Rudel in Parks Scopa spielen. Zahnlose Bettler in uringetränkten Straßenunterführungen, die einem einen schönen Tag wünschen; Sonne, welche die Socken zum Dampfen bringt und recht angenehme Luft. Das ist das Treiben in einem Vorort von Venezia (Marghera), wo ich paar Nächte hause. Ein wenig wie im Pfadfinderheim braucht man von Venezia Mestre eine gute halbe Stunde zu Fuß zum Camping Jolly, wo hübsche Bungalows, ein durchgelegenes Feldbett und tierisches(!) Landheimflair auf einen warten. Mit gespitzten Ohren kann man auch -wem es an Anreiz fehlen sollte- die Nachtaktivitäten der Nachbarn durch die nicht schallisolierte Budenwand mitverfolgen oder zur Liveschaltung der Autobahn zappen. Aber der Preis ist heiß und wer sich nachts warm einpackt und es liebt, der ist hier glücklich. Einen edlen Pool gibt es hier auch. Wenn die Temperaturen so anhalten, teste ich ihn morgen aus. Wirklich! Also wenn er beheizt ist..
Per Busshuttle, das zum kleinen Preis dazugebucht werden kann und jede Stunde vom Camp aus fährt, ist man in gut 12Minuten am Busbahnhof in Venedig. (Pedro, unser Fahrer mit Goldkettchen und lichtem Scheitel, schaffte es in 9!)
Nach der halsbrecherischen Fahrt mit südländischem Folkpop, viel Gehupe und Emotion am Steuer, kann man so lange man möchte durch die verwinkelten Gassen schlendern; circa 430 Brücken hoch-und runterlaufen und überall etwas entdecken, worüber man staunt. Der letzte Rücktransport zum Camp geht um 20Uhr, danach kann nur per öffentlichem Bus oder Zug sein Glück versucht werden. Das sollte der dann fußlahme Italienurlauber nicht versuchen, außer er will 20min im übervollen Bus quetschen und nach Luft ringen. Aber auch das ist eben Canal-Grande-Stimmung, wenn man verplant zur Rush-Hour kommt und geht (Achtung die Touris sind los!)
Das ist dann der Teil der wirklich sehenswerten Stadt Venedig, den man aus Dokus kennt. Hat eigentlich jeder schon einmal davon gehört. Muss ich also gar nicht viel zu loswerden. Ist genauso wie man es berichtet: viel (nicht stinkendes!) Wasser; hübsche Boote und alte Gondeln, gelbe Wassertaxis für Faule; viel klassische Musik auf den großen Plätzen; schöngeformte Basiliken und alte Häuser, die einen in eine vergangene Zeit zurückversetzen; Städteurlauber, die ihre Koffer auf der Suche nach ihrem Hotel durch den Dschungel an Gassen ziehen; Kinder, die Tauben einzufangen versuchen; durchaus feilschende Händler; klickende Fotohandys und glühende Händchenhaltende; charmante Rosenverkäufer; schwarzhäutige Italiener, die einen echt gefälschte Prada-Taschen für Gucci verkaufen wollen; Pizza- und Eisstände, die 5 Sterne verdienen; Modeketten und natürlich auch modernes Großstadtflair uvm. Für jeden ist in Venedig etwas dabei. Dabei ist diese Stadt keine Kopie, sie bleibt doch einzigartig.
Ich empfehle euch auch einen anderen Teil von Venedig. Da, wo weniger Trubel herrscht und man zum nicht unverschämten Preis (z.B. Tee -ja nur Tee- im Café am Markusplatz 15€!) Leckeres und Handgemachtes bekommt: das Universitäts- und Studentenviertel. Wer fernab der Hauptwege schreitet und die Sightseeing-Punkte (Rialto&Co) verdauen möchte, findet im hinteren Teil von San Marco tolle Gassen und Wege, die nur zu Kanälen und sanft planschendem Wasser führen und in keine weiteren Gassen oder Straßen münden: einfach nirgendwo hin! Einfach mal durch das Labyrinth gehen, hinsetzen und genießen.
Wer hier einen Heiratsantrag machen muss, muss es machen oder wem es egal ist wo und der keinen persönlicheren Ort findet, macht es bitte einfach hier. Weißes Hemd und schöne Bundfaltenhose angezogen, artigen Knicks und gut. Ist überhaupt nicht abgedroschen. Ist hier schon sehr nett und im Herbst viel angenehmer als im Sommer. Nur den Ring nicht ins Wasser fallen lassen. Tauchen würde ich hier nämlich trotzdem nicht. Sehr trüb hier.
Ich tauche morgen nochmal ins Venedig des 21. Jahrhunderts ein. Habe ja erst die Hälfte der Insel eingesaugt. Morgen kommt die andere Hälfte dran.
Entschlossen werde ich morgen auch gleich gegen diese lästige Klimaerwärmung vorgehen, die hier ordentlich zugeschlagen hat. Venedig ist das beste Beispiel. Extrem steigender Wasserpegel. Von wegen 3mm/Jahr. Was ihr hier seht, verschlägt euch die Sprache. Macht mal die Augen auf und gafft nicht nur durch eure Kameralinse, liebe Fotoknipser! Wirklich! Die ganze Stadt ist unter Wasser. Und alle nehmen es gelassen! Die Sonne kann nicht alles richten und das Wasser verdampfen lassen. Das klappt nicht. Da muss auch mal ernsthaft für gearbeitet werden! Die ganze Stadt säuft ab und alle machen Fotos. In der nächsten Zeit reicht es nicht mehr nur mit Booten zu fahren. Die kurzfristige Lösung fällt plätschernd ins Wasser. Dann heißt es vielmehr U-Boot fahren für die Ewigkeit. Und was machen die Italiener? Die trinken drauf. Trinken einfach so Espresso. Denen ist die Tragweite gar nicht bewusst.
Ich brauche jetzt erst einmal einen doppelten..Espresso. Dann gehts los mit der Weltrettung! Einfach großzügig die Adria abpumpen oder so. Und ach was solls, Zeit für ein kleines Gelato ist auch. Drei cremige Kugeln versteht sich. Dann gehts aber los. Und zwar so richtig. Vielleicht. Also morgen dann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen