Ihr habt euch sicher schon gefragt, was los ist. Warum hier nichts mehr kommt. Das habe ich mich auch gefragt. Ich bin genauso perplex wie ihr über diesen Zustand. Kommt nun noch was?
Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt etwas schreiben soll. Denn etwas Geschriebenes hat immer etwas Endgültiges, Unveränderliches an sich. Man liest das Geschriebene, kombiniert die dastehenden Wörter zu dem gemeinten Sinn und weiß: das ist es. So und so ist es. Das wars! Das Ende von etwas Schönem. Meine Reise ist vorbei. Nein, sie ist zu Ende gegangen. Vorbei ist sie nicht, denn sie wirkt immer noch nach. Auch wird die nächste Reise kommen. Die Welt des Lebens wird dafür sorgen. Das Leben wird auch dafür Sorge tragen dass nichts von diesem Trip verloren geht.
Woher weiß man das? Der ganze Körper und der Geist spüren es. Beim allerletzten Mal Kraxe packen, fegten alle zurückliegenden Tage, 2 Monate, wie ein Sturm lebhaft durch einen hindurch. Komprimiert in wenigen Sekunden. Im TGV rauschten Landschaften vorüber, die nicht zur Ardenne-Lorraine Region Frankreichs zählen. Sie liegen weiter südlich oder östlich. Die Speicherkarte der Kamera ist randvoll mit Abbildern ferner Realitäten.
Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde. Ich wusste von Beginn an, er würde mich einholen. Das ist nun passiert. Na und? Es ist vorbei. Dann ist es eben vorbei. Hör auf mit der Kinderkacke und laber nicht! Kann man sagen. Stimmt, das kann man. Für mich ist es aber nicht so einfach zu machen. Bin halt ein Problemfall. Ich möchte mich erklären. Diesen Abschied wie ich ihn gerade versuche, möchte ich für die Reise machen. Die Reise hat es verdient ordentlich verabschiedet, anständig zu Ende geführt zu werden. Auch du, lieber Leser, hast das verdient. Auch wenn ich nicht weiß, wer du im Genauen bist, so weiß ich, dass du jeden Tag oder ab und an mit mir gereist bist - von Nord nach Ost, über Süd zurück nach Nordwest über Südwest. Du hast dich gefragt, was als Nächstes kommt, wo auf der schönen Erde ich stecke, hocke, liege, springe. Hast mit mir zusammen die Stirn in Falten gelegt, den Kopf geschüttelt, gezweifelt, gegessen, gelacht, gedacht, den Sonnenuntergang angeschaut, dich gefreut und manchmal auch die Welt, in der ich war, hautnah miterlebt. Darüber freue ich mich. Wirklich. Alles, was ich die knapp 60 Tage Reise geschrieben habe, entspricht der Wahrheit. Ich verbürge mich mit meiner Bloggerehre dafür. Wäre ich Indiana ("Indy") Jones, würde ich auf meinen legendären Stoffhut nebst Peitsche schwören.
Alles und noch viel mehr ist so passiert! Viel mehr, da wirklich viel mehr passiert ist, was ich nicht alles für dich aufschreiben konnte (und wollte). Kauderwelsch und Stichworte lesen sich unverständlich. Vielleicht bekommst du es zu einem späteren Zeitpunkt zu lesen. Salonfähiger, verständlicher. Dann aber nicht hier. Vielleicht werde ich es erzählen für einen größeren Kreis. Da ich aber momentan zweifle, dass es irgendeinen interessieren könnte außer mir, bleibt es auch erst einmal bei mir.
Zu Beginn meiner kleinen Tour habe ich mich -nach einigem Hadern-bereits für diese Art der World Wide Web Präsentation geöffnet und zu diesem tollen Blog entschlossen. Rückblickend bin ich sehr zufrieden dieses Wagnis auf mich genommen zu haben.
Wagnis? Ja, Wagnis! Dieser Blog hält dir knallhart den Spiegel vors Gesicht. Das ist existenzfördernd. Manchmal bedroht es diese festgemauerte, stabil geglaubte Existenz auch. Denn ein Blog fungiert auch als scharfe Lupe für andere, als unbarmherziges Suchwerkzeug anderer. Sie durchsuchen dich! Sie durchschauen dich manchmal auch. Sie leuchten in deinen Worten nach dir, nach dem Schreiber und geben dessen Bild Kontur. Sie revidieren, zementieren, staunen, sind bestürzt oder langweilen sich über ein Bild, das sich ständig ändern kann und sehen ggf. enttäuscht das Menschenbild eines bekannten oder gut geglaubten Menschen fallen, das in ihrem Kopf eigentlich ganz schön existiert hat und seinen unverrückbaren Platz inne hatte.
Nunja. Das muss man wollen -zum Guten wie zum Schlechten. Öffentlich heißt öffentlich! Das ist das Gegenteil von privat. Was das heißt, weiß man erst, wenn man es bis zuletzt gedanklich durchgeht und es letztlich macht! In öffentlich steckt offen drin. Bloggen heißt für eine unbekannte Vielzahl schreiben, sich ihnen öffnen. Fremde lesen etwas, das doch nur mich etwas angehen sollte! Es heißt sich bewusst angreifbar machen. Die Selbstprostitution seiner Gedanken.
Und für was? Um sich vielleicht selbst zu verlieren in einem Selbst, das man nicht sein will! Ob ich das wollte und aushalten wollte, war mir lange nicht bewusst. Es gab schließlich niemals einen Grund dafür. Keiner hat mich dazu gezwungen, noch gefordert. Ich machte es trotzdem. Vielleicht gerade deshalb. Reizvoll ist immer das, was man nicht zu kennen glaubt. Bis es vertraut wird.
Und was andere denken, ist doch egal. Zumindest bis zu einer bestimmten Ebene und Grenze. Bis es nicht mehr ganz so egal wird. Und wenn schon! Was werden sie schlimmstenfalls sehen? Den Verlust ihrer Illusionen? Das wäre nicht sonderlich tragisch.
Also werden sie letztlich nur einen Menschen sehen, der nicht unfehlbar ist, der zweifelt, der genau das oder eben nicht genau das ist, was sie dachten. Na und? Bloggen ist somit ein Versuch wert. Es heißt eben nicht nur Selbstprostitution seiner Synapsenergüsse.
Bloggen heißt natürlich auch Ring frei für Selbstdarstellung, Satisfaction, Adrenalin, mindestens zweimaliges Durchdenken jedes geschriebenen Satzes, andere Wege gehen, ausprobieren von Schreibstilen und -techniken, auch das Weglassen allzu persönlicher Informationen und Gedanken. (Manchmal auch das Fehlen einiger Satzzeichen und das der korrekten Rechtschreibung..hrm)
Sieben seines wahren Ichs durch das Lochblech der Worte. Man filtert alles, was einen zu persönlich deucht. Das Gute ist: Man sorgt selbst für den Kaffee, der aus der Maschine gepresst wird. Man ist nämlich die Maschine, die sich selbst mit Pulver füttert und dann heißes Wasser draufgießt. Manchmal hat sein Text einen guten Geschmack, ein tolles Aroma. Manchmal stimmt auch die B-Note. Manchmal schmeckt es einfach nicht. Die wabernde Brühe ist zu dünn oder zu stark.
Sieben seines wahren Ichs durch das Lochblech der Worte. Man filtert alles, was einen zu persönlich deucht. Das Gute ist: Man sorgt selbst für den Kaffee, der aus der Maschine gepresst wird. Man ist nämlich die Maschine, die sich selbst mit Pulver füttert und dann heißes Wasser draufgießt. Manchmal hat sein Text einen guten Geschmack, ein tolles Aroma. Manchmal stimmt auch die B-Note. Manchmal schmeckt es einfach nicht. Die wabernde Brühe ist zu dünn oder zu stark.
Was ich damit verdeutlichen möchte ist, dass es bereits von der Anlage dieses Blogs eine Welt des Lesers und eine Welt des Schreibers gibt. Erstere ist genauso vielseitig wie letztere. Beide Welten prallen hier heftigst aufeinander, mit Erwartungen und...vor allem mit Erwartungen! Erwartungen sind nicht zu verteufeln, aber es ist teuflisch an ihnen zu klammern. Das ist mir beim Bloggen sehr bewusst geworden. Wie viele Klicks heute, wie viel Kommentare, wie viel Rückmeldung? 120 Leser auf einen Eintrag war die Spitze. Toll dachte ich! Der Tag danach fast wieder! Krasse Sache! Ich versuchte unterschwellig diese Klickzahl zu überbieten. Sucht nenne ich diesen Strudel, der mich packte. Ich war drin. Doch komme ich wieder heraus? Und wenn ja, wie?
Ich kam heraus. Mich holte glücklicherweise das Leben aus dieser Sucht zurück. Der Sucht des Schreibens und des Postens. Des Aufgeilens an seinen Einträgen und den Rückmeldungen. Des Gutfühlens durch emotionalisierte Zahlen und Kurven! Und des Enttäuschtseins wenn diese ausblieben. Ich schaffte es.
Ich merkte frühzeitig, dass ich die neue Gegend, die ich gerade zum ersten Mal sah schon in Worte für den Eintrag zurechtmeißelte. Ich betrog mich im Moment. Das, was ich doch ausdrücklich nicht wollte. Ich wertete ohne erst einmal den ersten, den zweiten und den so nötigen dritten Eindruck abzuwarten. Ich lebte nicht im Hier und Jetzt. Ich lebte in der Zukunft. Ich lebte gedanklich auf meiner Blogseite, auf der ich den nächsten Eintrag im Kopf bereits ausfertigte. Ab da an wurde mir bewusst wie großartig der Betrug in der Anlage eines Reiseblogs sein kann und bei mir war. Man betrügt sich und andere. Dieser Erkenntnis folgte ein Revival, eine Renaissance meines Reisescredos. Bilbo Baggins pflegte zu sagen: "Es ist eine gefährliche Sache aus der Haustür hinauszutreten. Wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, weißt du nicht wohin sie dich tragen." Genau das ist es. Ich wollte doch eigentlich NICHT auf meine Füße aufpassen! Ich wollte schauen wo es mich hinspült, wohin mich meine Füße führen würden! Als Erstes kommen doch die Reise und ich! Danach ist danach und danach kommt alles andere! Blog und seine Wirkung auf andere sind doch nur schmückendes Beiwerk!
Mir half auch die Rückbesinnung auf meine Motive des Blogs. Dieser Blog war doch der Versuch meinen eigenen Erwartungen nicht viel Raum zu geben. Ich habe mit meinen Einträgen versucht den Augenblick zu bannen in einer Ewigkeit, die so nicht existiert. Ein Stück Moment konservieren. Das klappte ganz gut. Für mich! Und das ist alles, was es jemals erfüllen sollte! Es ist zwangsweise ein Abgleich mit Erwartungen, Ideen, Erinnerungen, Wünschen, Hoffnungen, Schmerzen, Ängsten. Mit mir. Es ist eben mein, aber auch nur EIN kleiner, unvollständiger verschwindend geringer Teil meines Ichs, meines Lebens. Das alles in der Retrospektive. NACH dem Erleben! Nicht während des Erlebens, nicht in der Situation. Es war gleichsam konzipiert als eine Botschaft und Plattform für meine Lieben, denen ich meine Eindrücke zeigen wollte. Ich wollte Ihnen sagen wie es mir (er)ging. Auf die komplexeste Art und Weise digital vernetzter Schriftlichkeit. Gleichsam durch sehr wenig Arbeitsaufwand geprägt, mit viel Funktionalität gespickt und für eine breitere Zuhörerschaft, Freunde und Bekannte, aufbereitet.
Letzten Endes war es das. Und so ist es ja auch gewesen, nicht? Wenn nicht, dann tut es mir Leid. Nein. Mir tut es nicht Leid! Wirklich nicht. Stichwort Erwartung. Such dir doch was anderes, das deine Erwartungen erfüllt. Erwarte da nur nicht zu viel...
Das war geil jetzt. Nicht wahr? Die Wendung war ziemlich geschickt eingefädelt. Kann man schon mal zugeben. Nein? Doch! Ooh!
Meine Reise ist vorbei. Stimmt! Ich nicke zusätzlich. (Leider für dich unsichtbar.) Die Reise ist vorbei. Zumindest für heute!
Was bleibt? Ja, was bleibt.. Es bleibt ganz viel!
Viele tolle Eindrücke, ein freier Kopf. Auch viel Musik und Zeit für neue Kurzgeschichten, die ich schreiben konnte. Danke für eine tolle Zeit mit außergewöhnlichen Menschen, die meinen Weg durch moderne Metropolen, Landschaften von überwältigender Schönheit und rauer Natürlichkeit so besonders gemacht haben. Ihr seid sehr geile Menschen. Das sagt mit Ernsthaftigkeit die selbstverliebte Arschkrampe, die diesen Blogeintrag schreibt. Der Hunger nach Meer und Bergen ist (nur vorübergehend) gestillt. Ich werde mal wieder verreisen. Ziemlich sicher. Das tröstet ungemein. Auch die Vorfreude auf meine Familie und die Heimat, das Vertraute.
Abschließend, um dieses Trauerspiel zu beenden, ein pathetisches Danke an die blaue Erde!
Bitte, dreh dich noch ein Weilchen! Du steckst voller Überraschungen und bist schön! Und du auch, mein Leser! Mein? Na gut, dann eben nur Leser. Dreh dich noch eine Runde im Schreibtischstuhl und geh dann dein Tagewerk an! Auch wenn es schwer fällt.
Man liest sich. Also wenn es sich mal nicht vermeiden lässt.
Adieu, Freunde! SBJ